von Prof. Dr. iur. Thorsten S. Richter
- Zwangsmitgliedschaft in der Berufsgenossenschaft? – Ist das noch zeitgemäß?
- Welche Vorschriften könnten durch eine Zwangsmitgliedschaft in der Berufsgenossenschaft verletzt sein?
Fall
Die Anwälte im Ausgangsfall des BSG-Urteils, 09.05.2006 – B 2 U 34/05 R, hatten Bescheide der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) angegriffen.
Frage
- Kann man aus der Zwangsmitgliedschaft herauskommen?
- Welche Gründe könnten Erfolg versprechen?
- Was hat das Bundesozialgericht (BSG) gesagt?
Auf einem Blick
1 Sozialversicherung ist Pflicht
2 Pflichtversicherte Personen
3 Zusätzliche Pflichtversicherte
4 Versicherungsfreie Personen
5 Verweigerungsgründe
1
Sozialversicherung ist Pflicht
Gesetzliche Unfallversicherung für Betriebe ist grundsätzlich eine Pflichtversicherung, wie auch die anderen Zweige der Sozialversicherung, z.B.
- Arbeitslosenversicherung
- Rentenversicherung
- Krankenversicherung
- Pflegeversicherung
Unter bestimmten Umständen besteht aber in Ausnahmefällen eine Befreiungsmöglichkeit!
Test
- Warum hat der Gesetzgeber die Sozialversicherung mit Zwangsmitgliedschaften versehen?
2
Pflichtversicherte Personen
Laut dieser Vorschriften sind folgende Personen pflichtversichert und daher anzumelden:
§ 2 SGB VII und § 3 SGB VII Versicherung kraft Satzung
- alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Unternehmen, für die die Zuständigkeit gegeben ist
ohne Bedeutung,
- ob es sich um Voll- oder Teilzeitbeschäftigte,
- Aushilfskräfte,
- kurzfristig und geringfügig Beschäftigte
- oder Ein-Euro-Jobber und Ein-Euro-Jobberinnen
- Höhe des Verdienstes irrelevant
Test
- Spielt die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit eine Rolle für die Pflichtversicherung?
3
Zusätzliche Pflichtversicherte
Kraft Gesetzes versicherten und daher anmeldepflichtige Personen sind auch:
- angestellte Geschäftsführer und Geschäftsführerinnen einer GmbH,
- Gesellschafter-Geschäftsführer und Gesellschafter-Geschäftsführerinnen einer GmbH, die weniger als 50 Prozent Kapitalanteile innehaben und über keine Sperrminorität verfügen,
- Arbeitnehmervertreter und Arbeitnehmervertreterinnen im Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft,
- Vorstandsmitglieder einer eingetragenen Genossenschaft.
Im Ausbildungsbereich kommen weitere schutzbedürftige Personen dazu
- Lernende, die eine Bildungseinrichtung zur beruflichen Aus- oder Weiterbildung besuchen, können unter bestimmten Voraussetzungen über die Einrichtung bei der VBG versichert sein.
- Dies gilt auch für Teilnehmerinnen und Teilnehmer an arbeitspolitischen Maßnahmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit oder ein Jobcenter gefördert wird.
- Wer für eine Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts beziehungsweise deren Verbände oder Pflichtversicherung für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen Arbeitsgemeinschaften ehrenamtlich tätig wird, genießt den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
- Auch ehrenamtliche Tätigkeiten für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen stehen unter Versicherungsschutz.
Test
- Warum sind nicht nur Arbeitnehmer versicherungs- und damit anmeldepflichtig?
4
Versicherungsfreie Personen
- § 4 SGB VII Versicherungsfreiheit
- andersweitig Versicherte
- Beamte
In manchen Bereichen besteht aber die Möglichkeit, sich freiwillig versichern zu lassen!
Test
- Warum sind die genannten Personen versicherungsfrei?
5
Verweigerungsgründe
Die Anwälte im Ausgangsfall des BSG-Urteils, 09.05.2006 – B 2 U 34/05 R, hatten Bescheide der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) angegriffen.
Mit welchen Gründen sind die Anwälte gegen die Bescheide vorgegangen?
Welche Verweigerungsgründe gegen die Zwangsmitgliedschaft gibt es?
Ansatz 1: Verstoß gegen Europarecht
- Monopolverbot: Art. 106 i.V.m 101, 102 AEUV (ehemals Art. 86 Abs. 1 i.V.m 81, 82 EGV jetzt EU-Vertrag, vgl. neue Nummerierung in dieser Synopse)
- Dienstleistungsfreiheit: Art. 52 AEUV (vormals Art. 49 EGV)
Ansatz 2: Verletzung des GG
- Art. 2 Abs. 1 GG allgemeine Handlungsfreiheit
- Art. 14 Abs. 1 GG Eigentumsgrundrecht
- Art. 80 Abs. 1 GG
Ansatz 3: Formfehlerhafte Beitragserhebung im Einzelfall
- zu hohe Beiträge
- falscher Gefahrtarif
Test
- Ist eine Verweigerung gegen die Zwangsmitgliedschaft in der Unfallversicherung aussichtsreich?
=> Weiter geht es…
- mit dem nächsten Tipp 3 Unfallversicherungs-Vorschriften kennen!
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PS:
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Um das auszuschließen bitte ich Sie, vor der Anwendung der hier erläuterten Inhalte
- diese selbst auf Ihren Einzelfall hin zu überprüfen
- weitere Inhalte von mir zu lesen,
- bei Zweifeln diese mit mir in einem persönlichen Gespräch zu klären oder
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